Liberaler Elektroingenieur: Energiewende funktioniert mit Wüstenstrom und Thorium-Reaktoren
Oliver Numrich: Lieber Hans, Du bist Elektroingenieur und hast Dein ganzes Berufsleben lang ein selbstständiges Ingenieurbüro in Berlin geführt. Jetzt lebst Du in Garz und bist der FDP OPR beigetreten und damit der perfekte Ansprechpartner, um die vielen Fragen, die sich aktuell zur Energiewende ergeben, aus fachlicher sowie liberaler Sicht zu beantworten.
Die FDP insgesamt und vorne weg unser Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing, haben innerhalb der Ampel und gegen viel Widerstand der grün-linken Öffentlichkeit durchgesetzt, dass Autos mit Verbrennermotor auch in Zukunft in Deutschland und der EU fahren dürfen, sofern der Treibstoff klimaneutral hergestellt wurde. Was hältst Du von so genannten efuels?
Hans Dillinger: Grundsätzlich ist eine technologieoffene Politik IMMER der richtige Weg. Nur Ingenieure können die beste technische Lösung finden. Politiker habe die Aufgabe, mögliche Lösungen umzusetzen. Was dabei herauskommt, wenn ein ehemaliger Kinderbuchautor über ein Heizungsverbot in Deutschland lamentiert, erleben wir zur Zeit.
Nach meinem Wissen basieren die aktuellen synthetischen Kraftstoffe auf einer Wasserstoff-Kohlenstoff-Verbindung. Im bekanntesten Fall ist es Methanol. Es gibt bereits eine europäische Kraftstoffnorm M100. Methanol kann mit Wasser oder Benzin gemischt werden und als efuel in Verbrennungsmotoren verwendet werden oder über eine Methanol-Brennstoffzelle Elektrizität für einen Elektromotor liefern. Die Wirkungsgrade beider Systeme sind ähnlich und liegen bei ca. 40%. Die Emissionen sind gleich. Der Vorteil besteht darin, dass man Methanol, wie Benzin, tanken und lagern kann. Leider ist die Herstellung von Methanol sehr energieintensiv.
Wenn man efuel in ausreichender Menge zur Verfügung stellt, könnte man ab ~2035 die mineralischen Kraftstoffe abschaffen und weiterfahren wie bisher. Das hätte den Vorteil, dass ab diesem Zeitpunkt auch die älteren Fahrzeuge kein CO2 mehr erzeugen. Wir hatten bereits einen ähnlichen Übergang, als das bleifreie Benzin eingeführt wurde. Bei der bisherigen Politik würden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor noch mehr als 30 Jahre darüber hinaus Mineralöle verbrauchen. Ich halte die Politiker, die sich dieses Gesetz ausgedacht haben, für unqualifizierte Idiot*innen.
Oliver: Die Vertreter der Elektromobilität verteufeln efuels als ineffizient in der Produktion und zu teuer für Otto-Normal-Verbrenner. Außerdem seien efuels wie Methanol nur als Beimischung geeignet. Stattdessen solle man lieber direkt auf Elektroautos umsteigen. Höchstens für LKW, Schiffe oder Flugzeuge könnten demnach efuels Sinn machen. Was ist Deine Meinung dazu?
Hans: Meistens sind mit Elektromobilität Fahrzeuge mit einem batterieelektrischen Antrieb gemeint. Der Wirkungsgrad solcher Fahrzeuge ist mit Abstand der beste und liegt bei über 80%. Es ist auch keine Umwandlung der elektrischen Energie in einen chemischen Energieträger notwendig. Man lädt die Batterie auf und fährt los. Die Nachteile sind ein hohes Batteriegewicht, eine geringe Reichweite und lange Ladezeiten. Wer im ländlichen Bereich eine Fotovoltaikanlage hat und nur zweimal in der Woche zum Supermarkt fährt, kann völlig kostenlos und emissionsfrei Auto fahren. Das ist zweifellos eine hervorragende Variante. Ein Tagesausflug an die Ostsee oder Wohnwagen anhängen und Urlaub am Mittelmeer machen ist zurzeit aber nicht möglich.
In größeren Städten sieht die Sache nicht gut aus. Hier werden noch auf lange Zeit die nötigen Parkplätze mit Ladestation fehlen. Obwohl grade hier eine flächendeckende Einführung von Elektroantrieben sinnvoll wäre, um das Stadtklima zu verbessern.
Das Hauptproblem ist aber, dass es noch nicht denkbar ist, ausreichende Schnellladestationen bereitzustellen, um größere Strecken zügig zu bewältigen. Das Schnellladen einer Fahrzeugbatterie von 30kWh in einer Stunde bedeutet, dass das Ladegerät für eine Stunde 30kW liefern muss. Sind in einer Autobahn Tank/Ladestelle 10 Ladesäulen gleichzeitig in Betrieb, sind das 300kW Dauerlast. Das ist mehr als eine kleine Ortschaft benötigt und die Autofahrer sind trotzdem genervt, weil sie eine Stunde warten müssen, bis ihr Tank voll ist.
Wo die elektrische Energie herkommen soll, wenn zusätzlich viele Haushalte eine Wärmepumpe betreiben, ist eine zurzeit noch offene Frage. Gleichzeitig wir das Problem der Spitzenlastversorgung immer aktueller.
Wenn man zusätzlich die Gruppe der Nutzfahrzeuge bedenkt, ist nur ein Mix der verschiedenen Antriebsarten vorstellbar. Jeder, der ein Fahrzeug benötigt, muss abwägen, welche Version für ihn die beste ist. Eine einheitliche Lösung für alle wird es in Zukunft nicht mehr geben. Es ist jedoch vorstellbar, dass für private PKWs der batterieelektrische Antrieb in 70% der Fälle die beste Entscheidung ist.
Oliver: Leider wurde gerade gegen den Willen der Bevölkerung die letzten drei deutschen Kernkraftwerke abgestellt, die eine kontinuierliche und CO2-arme Stromversorgung garantierten. Dabei sollte nicht vergessen werden zu erwähnen, dass der Ausstieg aus der Kernenergie bereits unter der Kanzlerin Merkel beschlossen wurde. Was sagst Du zu diesem Abschied von der Kernenergie und welche Alternativen für eine nachhaltige Versorgung mit Energie siehst Du für Deutschland?
Hans: Ich kann nicht erkennen, warum die Kernkraftwerke in Deutschland so viel gefährlicher sein sollen, als die in Frankreich oder Polen. Für die Nutzung der Kernenergie gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die Technik, die wir zurzeit nutzen, ist leider die schlechteste. Es besteht immer das Risiko einer nuklearen Katastrophe und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle ist ein ungelöstes Problem. Die Kernfusion wäre langfristig eine hervorragende Lösung, aber ich fürchte, dass wir eine wirtschaftliche Nutzung dieser Technik nicht mehr erleben werden.
Es gibt aber auch bei der Kernspaltung noch Möglichkeiten für eine zukünftige, sichere Nutzung. Eine Version könnten natriumgekühlten Thorium-Reaktoren sein. Bei dieser Art von Reaktoren ist eine nukleare Katastrophe nicht möglich und radioaktiver Abfall entsteht nur in sehr geringer Menge mit einer überschaubaren Halbwertszeit (ca.70 Jahre). Hierzu liegt ein Dokument des wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung vor (WD-8-049-20). Darin wird die Technologie sehr gut beschrieben, aber als zu schwierig für eine kurzfristige Lösung bezeichnet. Ich bin jedoch der Ansicht, dass diese Reaktoren viele Vorteile bieten und dass es sinnvoll ist, sie zur Serienreife zu entwickeln und anzuwenden. Ich fürchte allerdings, dass der grüne Teil unserer Regierung aus ideologischen Gründen absichtlich so viel Zeit vertrödelt, bis es zu spät ist. In China wurde 2022 bereits ein Testreaktor nach diesem Verfahren gebaut. Wir sollten nicht so lange warten, bis diese Reaktoren über Alibaba verkauft werden.
Oliver: Die Bundesregierung setzt voll auf Strom: vom Elektroauto bis zur Wärmepumpe. Grundsätzlich besteht ja in Nordeuropa das Problem, dass unsere regenerativen Energiequellen ungleich verteilt sind: Windenergie gibt es vor allem im Norden, aber zu wenig Leitungen in den Süden), Sonnenenergie nur am Tage und zu wenig im Winter. Das Energiekonzept der Bundesregierung beruht im Wesentlichen auf dem des grünen Think Tanks Agora Energiewende fußt (dessen Chef ist jetzt Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimawandel unter Habeck und damit auch für die Energie zuständig). Dieses Konzept sieht vor allem Gas als flexible Energiequelle für den Ausgleich von Schwankungen bei den regenerativen Quellen vor. Doch Gas ist weder c02-neutral, noch günstig. Die EU setzt auf Solarkraftwerke in Afrika, die für Europa Energie bereitstellen. Dabei scheinen mir vor allem zwei Fragen noch nicht vollständig beantwortet zu sein: Wie sicher ist unsere Energieversorgung, wenn die Quelle in einem oder mehreren afrikanischen Ländern liegt? Sind wir dann nicht wieder abhängig vom Ausland wie jetzt bei Gas und Öl. Und zum anderen die Frage des sicheren Transports dieser Energie: kann man den Strom direkt über Hochspannungsleitungen nach Europa leiten oder muss alles vor Ort in Wasserstoff oder Methanol umgewandelt werden, wodurch Energie verloren geht und was den Transport zum Teil verkompliziert? Was hältst Du für die beste, realistische Lösung?
Hans: Mit meiner Solaranlage auf dem Dach erzeuge ich jährlich 10 MWh Elektrizität. In der Sahara würde diese Anlage 25 MWh pro Jahr erzeugen. In Deutschland wird im Winter nur ein Zehntel der Sommerenergie geerntet. In der Sahara ist das Verhältnis 3 zu 2. Damit sind die Erträge für eine Winterversorgung mit einem geringeren Overhead zu erreichen. Auch die Versorgungssicherheit ist in der Sahara viel besser, da es in der Wüste fast kein Wetter gibt. Trotzdem gibt es im Sommer eine deutliche Überproduktion, die jedoch zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe genutzt werden kann. Der schlechte Wirkungsgrad bei der Produktion kann hingenommen werden, da es in der Sahara genug Sonnenenergie gibt.
Für den Transport der elektrischen Energie nach Europa kann eine Hochspannung-Gleichstrom-Übertragung angewendet werden. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass die Trassen als Seekabel und unter den Mittel- oder Randstreifen der Autobahnen verlegt werden können. Es hat aber auch den Nachteil, dass die Konverterstationen zur Ableitung der Energie als Haushaltsstrom sehr teuer sind. Darum ist dieses Übertragungsverfahren nur für lange Transportwege wirtschaftlich.
Es werden vier Teilstücke benötigt. Marokko nach Gibraltar, Spanien, Frankreich und Deutschland. Die einzelnen Teilstücke können jeweils als nationales Projekt erstellt und durch eine Überleitungsgebühr finanziert werden. Die geschätzten Kosten für die Übertragung einer Kilowattstunde Elektrizität könnte dann bei 5 bis 10 Cent für private Nutzer liegen, und wären damit sehr attraktiv, da die Primärenergie in der Sahara fast nichts kostet.
Die Anlagen zur Energieerzeugung können in der Sahara als europäisches Projekt oder als Summe privater Genossenschaften erstellt und betrieben werden. Jeder könnte sich bei so einer Genossenschaft einkaufen und dafür seinen persönlichen Energieanteil plus Transportgebühr erhalten. In der Nacht scheint auch in der Sahara keine Sonne, zum Ausgleich kann in der Wohnung ein Batteriespeicher aufgestellt werden. Für eine Elektroheizung (ob mit oder ohne Wärmepumpe) kann eine Tagspeicherheizung eingebaut werden. Der synthetische Kraftstoff aus der Überproduktion im Sommer kann einem der üblichen Mineralölkonzerne übergeben und an jeder beliebigen Tankstelle in Europa wieder abholen werden.
Schön wäre das und es wäre möglich, aber…
…die politische Unsicherheit in den nordafrikanischen Staaten ist ein schwieriges Thema. Ein wichtiger Teil unserer Investitionen, die Hochspannungstrassen, befindet sich jedoch auf europäischem Boden und kann ausreichend geschützt werden. Zur Not bekommen wir dann eben Solarenergie aus Südspanien. Ich glaube jedoch, dass nordafrikanische Unruhen in Zukunft nur von kurzer Dauer sein werden. Denn die Menschen dort werden, bedingt durch die Klimaveränderung, zunehmend auf Lebensmittel aus Europa angewiesen sein.
Einen Satz noch zum Wüstenstrom: Die Idee ist schon mindestens 50 Jahre alt. 2009 wurde die Desertec Foundation gegründet, um diese Idee umzusetzen. Es gab verschiedene Teilnehmer. Frankreich tendierte damals schon dazu, seine Kernkraftwerke auszubauen, Deutschland setzte den Schwerpunk auf russisches Gas und die Deutsche Bank kam nach kurzer Zeit auf die Idee, dass man schneller Geld verdienen kann, wenn man die gewonnene Energie gleich in Marokko verkauft. Das führte dazu, dass Desertec 2015 als gescheitert erklärt wurde. Die Interessen der Mineralölkonzerne wurden dadurch ebenfalls gewahrt und alle waren glücklich… 🙁
Eine weitere Absicherung unserer Energieversorgung könnten die oben beschriebenen Thoriumreaktoren sein. Aber das alles braucht Zeit, gute Ingenieure und eine sinnvolle Politik um alles zu leiten. Leider verlieren wir sehr viel wichtige Zeit, um darauf zu warten, dass die “grünen Spezialisten” unter der 5%-Hürde verschwinden. Wir müssen aber jetzt tun, was nötig ist.
Oliver: Noch eine letzte Frage zur aktuellen Heizungsdebatte. Der Bundesparteitag der FDP hat den Kompromiss der Ampelregierung zur Umstellung der Häuser und Wohnungen auf Wärmepumpen gerade abgelehnt, weil er viele Hausbesitzer finanziell überfordern würde und zu wenig technologieoffen ist. So kann im aktuellen Kompromiss aus Biomasse produziertes Gas nicht als gleichwertige Alternative zur Wärmepumpe eingesetzt werden, obwohl es klimaneutral ist. Mal abgesehen von längeren Übergangsfristen – welche Technologie oder welche Energiequelle sollte hier nach Deiner Meinung noch einbezogen werden?
Hans: Nach meiner Einschätzung ist die Elektrizität als allgemeine Energieform der beste Weg in die Zukunft. Aber zuerst müssen wir die Elektrizität haben, bevor wir sie verwenden können. Leider haben die “grünen Spezialisten” das vergessen und speisen uns mit wirren Ideen von Windrädern ab. Es ist mir vollkommen unverständlich, wie diese Dilletanten so viel Macht bekommen konnten.
Eine Wärmepumpe ist grundsätzlich eine gute Idee, da sie aus einer Kilowattstunde Elektrizität drei Kilowattstunden Heizleistung machen kann. Man darf aber nicht vergessen, dass der Wirkungsgrad sinkt, je größer die Temperaturdifferenz wird. Das bedeutet, eine 30 Grad warme Fußbodenheizung mit einer Wärmepumpe zu betreiben ist gut. Aber eine vorhandene Zentralheizung durch eine Wärmepumpe auf 60 Grad aufzuheizen ist eine schlechte Idee.
Ansonsten spricht nichts dagegen, Biomasse, Holzpellets und andere Wärmequellen zu nutzen. In diesem Zusammenhang, möchte ich auch noch daran erinnern, dass die letzte verbliebene Nordstream-Röhre immer noch Gas liefern kann. Mann muss einfach nur die Grünen entfernen und den Hahn wieder aufdrehen.
Oliver: Noch eine allerletzte Frage! Mein Eindruck ist, die Wasserstoff-Euphorie ist inzwischen schon wieder verflogen? Wenn ich damit richtig liege: Was könnten die Gründe dafür sein?
Hans: Reiner Wasserstoff ist ein guter Energieträger, muss aber in Drucktanks gelagert werden und das ist teuer. Es ist aber auch möglich, Wasserstoff chemisch zu binden. Methanol ist solch eine Bindung. Man kann Methanol in einen Tank schütten und problemlos lagern. Warum darüber nicht mehr geredet wird, lässt sich nicht erklären.
Oliver: Vielen Dank für die kompetente Einschätzung.
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24. April 2023